Luft rein, Luft raus. Wir atmen etwa 20.000 Mal pro Tag. Aber dafür, dass wir es so oft tun, wissen wir relativ wenig darüber. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass es meistens unbewusst passiert. Daher vergessen wir oft das Potential, das das Atmen haben kann. Erst wenn die Luft knapp wird, bemerken wir, wie wichtig unser Atem ist: Er hält jede Zelle in unserem Körper am Leben. Außerdem ist es toll, dass wir (anders als beispielsweise bei der Verdauung) unseren Atem auch willkürlich beeinflussen können. Dies tun wir jedoch meistens viel zu selten.
Aktuelle Studien zeigen uns aber, wie kontrollierte Atmung unserem Wohlbefinden gut tut: Sie beruhigt das Gehirn und reguliert den Blutdruck (Yackle et al., 2017) und auch das Gedächtnis kann durch den Rhythmus der Atmung verbessert werden (Zelano, Jiang, Zhou, Arora, Schuele, Rosenow & Gottfried, 2016).
Bevor man die physiologischen Vorteile der kontrollierten Atmung verstehen kann, muss man sich erst einmal bewusst werden, wie der Körper auf Stress reagiert. Wie Sie sicher auch schon einmal erlebt haben, können Sie, wenn Sie besorgt oder ängstlich Sind, dies in deinem Körper spüren: Das Herz beginnt immer schneller zu schlagen, Ihnen wird schwindelig und das Blut schießt in Richtung Herz und Gehirn. Das sympathische Nervensystem ist dafür verantwortlich, besser bekannt als die "Fight- or Flight"-Reaktion.
Wenn nun das sympathische Nervensystem ganz viel Cortisol und Adrenalin ausschüttet, fühlen wir uns oft überwältigt. Daher gibt es einige Entspannungsverfahren, um dieser Stressreaktion entgegenzuwirken. Eine Forscherin namens Esther Sternberg verwendet zur Erklärung eine Auto-Metapher: Wenn du deine Stressreaktion reduzieren möchtest, bei der du den Auslöser direkt bekämpfen möchtest, ist das so, als würdest du den Fuß vom Gas nehmen. Sternberg empfiehlt stattdessen jedoch, diese Reaktion an sich zu stoppen – das heißt den Fuß auf die Bremse zu setzen. Dies sei viel effizienter. Die kontrollierte und tiefe Atmung kann diese „Bremse“ darstellen: Dadurch schalten Sie nämlich den sogenannten Vagusnerv ein, der wiederum das parasympathische Nervensystem aktiviert (welches das Gegenstück zum sympathischen Nervensystem ist).
Deshalb möchte ich dich dazu ermutigen, öfter bewusst zu atmen, denn auch schon Buddha sagte:
„So du zerstreut bist, lerne auf den Atem achten.“
Es ist bekannt, dass Gefühle die Atmung beeinflussen können: Angst hält die Luft an, Trauer schluchzt, Stress hechelt und Wut schnaubt. Jedoch geht es auch umgekehrt.
In einem früheren Beitrag habe ich dir schon einige Meditations- und Entspannungstechniken vorgestellt. Nun stelle ich Ihnen eine spezielle Technik vor, bei der es nur um die Atmung geht. Dr. Andrew Weil hat die Atmung erforscht und dabei festgestellt, dass ein einfacher 4-7-8 Atemzyklus sehr effektiv sein kann, wenn es um Entspannung geht. Dieser Zyklus wird auch für Atem-Meditationen genutzt und geht wie folgt:
Je mehr Sie üben, desto einfacher wird es. Am Anfang können Sie auch mit kürzeren Perioden des Ein- und Ausatmens beginnen, falls die vollständige Zählung von 4-7-8 eher zu einer Anspannung führt.
Hier finden Sie eine einstündige Version einer geleiteten 4-7-8 Atmungsmeditation. Die Technik können Sie nutzen, wenn Sie sich nervös, gestresst oder ängstlich fühlen, aber auch zum Einschlafen kann diese Übung wirksam sein.
Der Atem ist also nicht nur dafür da, um uns am Leben zu erhalten, er kann auch zu unserem Wohlbefinden beitragen. Zusätzlich gefällt mir die Vorstellung des Atems als unsere Verbindung mit der Welt: Die eingeatmete Luft ist voller Atome, die zuvor zu etwas oder jemand anderem gehört haben. Gleichzeitig geben wir mit unserer Ausatmung auch etwas von uns selbst an die Welt zurück. Es ist daher ein kontinuierliches Geben und Nehmen.
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