Wie finde ich meine innere Ruhe? In den letzten beiden Beiträgen ging es darum, wie Meditation und bestimmte Entspannungsverfahren ein Mittel sein können, um mehr Ruhe zu erleben. Meditation und Entspannungsübungen an sich reichen allein jedoch oft nicht aus. Es geht um etwas umfassenderes, nämlich um die richtige Einstellung bzw. Denkweise. Diese ist der Schlüssel für eine ruhigere Haltung im Alltag. Es passieren immer wieder Dinge im Leben, die man sich anders gewünscht hätte oder nicht kommen gesehen hat. In solchen Situationen ist es nicht so einfach, mit innerer Ruhe zu reagieren. Die richtige Einstellung kann im Alltag dabei helfen, genau an dem Ausgangspunkt der Reaktion anzusetzen.
Um zu verstehen, wie genau diese innere Einstellung aussehen könnte, habe ich für Sie eine alte chinesische Erzählung, denn durch Geschichten wird die „Botschaft“ oft klarer als durch Erklärungsversuche. Jorge Bucay bringt es auf den Punkt:
„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen.“
Und diese Geschichte kann helfen zu verstehen, worauf es bei innerer Ruhe möglicherweise ankommt...
Ein Bauer und sein Sohn hatten ein geliebtes Pferd, das der Familie half, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Eines Tages lief das Pferd weg und die Nachbarn riefen ihm zu: „Dein Pferd ist weggelaufen, was für ein schreckliches Unglück!“ Der Bauer antwortete: „Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.“
Einige Tage später kehrte das Pferd zurück und führte auch ein paar wilde Pferde auf den Hof. Die Nachbarn riefen: „Dein Pferd ist zurückgekehrt und hat mehrere Pferde mit nach Hause gebracht. Welch großes Glück!“ Der Farmer antwortete: „Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.“
Später in dieser Woche versuchte der Bauernsohn, eins der neuen Pferde zu reiten, dieses warf ihn jedoch zu Boden und brach ihm das Bein. Die Nachbarn riefen: „Dein Sohn hat sich das Bein gebrochen, was für ein schreckliches Unglück!“ Der Bauer antwortete: „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.“
Einige Wochen später marschierten Soldaten der nationalen Armee durch die Stadt und rekrutierten alle gesunden Männer für die Armee. Den Sohn des Bauern, der sich noch immer von seiner Verletzung erholte, nahmen sie nicht mit. Die Nachbarn riefen: „Dein Junge wird verschont, welch ein Glück!“ Darauf antwortete der Bauer: „Vielleicht ja, vielleicht nein. Wir werden sehen.“
Die Moral dieser Geschichte ist, dass kein Ereignis an sich wirklich als gut oder schlecht, als Glück oder Unglück, beurteilt werden kann. Nur die Zeit kann die ganze Geschichte erzählen. Es ist besser, das Leben einfach zu leben und alles in Ruhe anzugehen, egal ob die Situation gut oder schlecht erscheint. Das Leben ist viel angenehmer, wenn wir das annehmen, was uns gegeben wird und das Beste aus unseren Lebensumständen machen. Anstatt über die Dinge zu urteilen, wäre es also hilfreicher, sich einfach zurückzulehnen und zu sagen: „Ich bin gespannt zu sehen, was passiert.“
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